Fünf Fragen an BonnNetz - Fernwärme

Malte Dahms, Teamleiter Netzplanung Fernwärme, steht an einer Umformerstation in der Goerdelerstraße in Duisdorf. Dort wird die Wärmeenergie vom Fernwärmenetz auf das lokale Netz übertragen und Druck sowie Temperatur angepasst. (Foto: Stadtwerke Bonn/Martin Magunia)

Warum eigentlich ist Fernwärme so wichtig für die Wärmewende und damit das Erreichen der Klimaneutralität in Bonn? Wie entsteht sie und wo wird das Netz als Nächstes ausgebaut? Im vierten Teil unserer Reihe „Fünf Fragen an BonnNetz“ gibt Malte Dahms, Teamleiter Netzplanung Fernwärme, Antworten auf häufig gestellte Fragen.

Was ist überhaupt Fernwärme? 

Malte Dahms: Fernwärme ist eine umweltfreundliche Art der Wärmeversorgung, bei der heißes Wasser über ein geschlossenes Rohrleitungsnetz mit Vor- und Rücklauf direkt zu Gebäuden transportiert wird. In Bonn wird die Fernwärme hauptsächlich durch das Heizkraftwerk Nord (HKW) und die Müllverwertungsanlage Bonn (MVA) erzeugt. Diese beiden Anlagen arbeiten unabhängig voneinander, speisen jedoch in das gemeinsame Fernwärmenetz ein.

Wie muss man sich das Zusammenspiel von HKW und MVA für die Fernwärme vorstellen?

Malte Dahms: Die MVA Bonn verwertet in erster Linie die über die graue Tonne in der Region erfassten Restabfälle, die zwar stofflich nicht so wie z.B. Papier oder Glas recycelbar sind, aber schadlos entsorgt werden müssen und ein hohes energetische Potential bieten. Durch die Verbrennung entsteht Hitze, die Dampf erzeugt. Über Rohrleitungen gelangt diese Abwärme in das benachbarte Heizkraftwerk, wo das Wasser der Vorlaufleitung über Wärmetauscher erhitzt wird.

Die Wärmeerzeugung im HKW erfolgt durch zwei wasserstofffähige Gasturbinen, die mit einem Abhitzekessel gekoppelt sind. Die heißen Abgase der Turbinen werden genutzt, um Dampf zu erzeugen. Dieser treibt nicht nur eine weitere Turbine zur Stromerzeugung an, sondern dient gleichzeitig zur Versorgung des Fernwärmenetzes über Wärmetauscher. 

Das Heizkraftwerk nutzt das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bei dem sowohl Strom als auch nutzbare Wärme erzeugt werden. Die Dampfturbine wandelt thermische Energie in mechanische Energie um, die dann im Generator zur Stromproduktion genutzt wird. Bis zu 70 Prozent des Bonner Strombedarfs werden so gedeckt. Die unvermeidbare Abwärme, die normalerweise ungenutzt bliebe, wird gezielt für die Fernwärmeversorgung genutzt. Dank dieser Kombination wird eine hohe Brennstoffausnutzung erreicht, wodurch Bonn sowohl effizient mit Strom als auch mit umweltfreundlicher Wärme versorgt wird. Falls der Wärmebedarf höher ist als ihn die KWK-Anlagen liefern können, kommen zusätzliche Spitzenlastkessel zum Einsatz, die direkt Wasser für die Fernwärme erhitzen.

Strom und Fernwärme in der KWK-Anlage sollen zukünftig mit grünem Wasserstoff erzeugt werden. Die sukzessive Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff bedarf technischer Anpassungen. Deshalb wird das HKW Nord Schritt für Schritt modernisiert.

Welche Vorteile hat die Fernwärme und seit wann gibt es sie in Bonn?

Malte Dahms: Ein großer Vorteil ist, dass sie als fertige Wärme geliefert wird. Es wird kein Heizkessel, kein Schornstein und auch kein Raum für die Brennstofflagerung mehr benötigt. Vor Ort wird die Wärme mit Hilfe einer Hausanschlussstation (HAST) übergeben. Das erspart Flächen, die anders genutzt werden können. Hinzu kommt, dass Fernwärme ganz besonders umweltfreundlich ist, weil sie durch die besagte Kraft-Wärme-Kopplung funktioniert, ein Prinzip mit wenig Energieverlust. Deshalb liegt der Primärenergiefaktor bei sehr guten 0,25. Ein niedriger Primärenergiefaktor kann zum Beispiel die Anforderungen an die Gebäudedämmung positiv beeinflussen. 

Das Bonner Fernwärmenetz entstand in den 1950er Jahren. Zurzeit sind ca. 25.000 Kunden an etwa 2.800 Gebäuden angeschlossen. Darunter eine Vielzahl von Büro- und Verwaltungsgebäuden, Objekte der Bonner Universität, Gebäude der Stadt Bonn, vom Land oder dem Bund sowie zahlreiche Wohnhäuser von Wohnungsbaugesellschaften, aber auch Ein- und Zweifamilienhäuser.

Fernwärme ist ein wichtiger Baustein der kommunalen Wärmeplanung der Stadt Bonn. Was bedeutet das für BonnNetz als Netzbetreiber?

Malte Dahms: Wir priorisieren derzeit die weiteren Ausbaugebiete, also in welcher Reihenfolge, in welchen Vierteln und in welchen Straßen die Fernwärme ausgebaut werden soll. Denn wir wollen aktiv daran mitarbeiten, dass die Bundesstadt ihre Klimaschutzziele erreicht. Geplant ist, das Netz mittelfristig pro Jahr um zwei Kilometer zu erweitern. Beim künftigen Ausbau der Fernwärme muss auch die Erzeugung betrachtet werden. Denn durch den steigenden Ausbau und den hierdurch resultierenden Bedarf muss über neue Erzeugungsanlagen wie die geplante Flusswasser-Wärmepumpe und weitere Alternativen nachgedacht werden. In diesem Kontext prüfen wir neue Erschließungsgebiete zum Beispiel in Beuel und mögliche Verdichtungen nah am Bestandsnetz. Die konkreten Planungs- und Genehmigungsprozesse und die dann folgenden Straßenbaustellen werden uns als Stadt die nächsten Jahre begleiten und auch die ein oder anderen Behinderungen im Verkehr mit sich bringen.

Woher weiß ich, ob Fernwärme für mich infrage kommt?

Malte Dahms: Ein erster Anhaltspunkt ist die Wärmeversorgungskarte, die aus der kommunalen Wärmeplanung für Bonn resultiert. Sie liefert Erkenntnisse darüber, in welchen Bereichen Wärmenetze geeignet sind oder wo eher eine dezentrale individuelle Versorgung über Wärmepumpen sinnvoll ist. Grüntöne zeigen die Eignung eher für Wärmepumpen an. Orangefarbene Töne stehen eher für Wärmenetze – das kann Fernwärme sein, aber auch Nahwärme im Quartier. Dabei deutet jeweils der dunklere Farbton darauf hin, dass sich in diesem Gebiet die jeweilige Wärmeversorgung sehr stark anbietet. Besonders für die Innenstadt, Südstadt, Nordstadt und Weststadt könnte Fernwärme interessant werden. Sind die Priorisierungen für den Fernwärmeausbau abgeschlossen, können Kundinnen und Kunden noch fundiertere Aussagen geliefert werden. 

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